Magazin Prisma Bayern: Barbara Temelie, 5-Elemente Ernährung

Der Makrokosmos Erde hält für jedes Lebewesen alles bereit, damit es gedeihen kann. Im Mikrokosmos Mensch herrschen die gleichen Gesetzmäßigkeiten. Nach der 5-Elemente-Lehre der traditionellen chinesischen Medizin entsprechen Milz und Magen (nicht gleichzusetzen mit den Organen der westlichen Medizin) mit ihren körperlichen sowie geistig-spirituellen Funktionen dem Element Erde. Unsere Mitte, die Erde in uns, sorgt für alle anderen Organe in den Elementen Holz, Feuer, Metall und Wasser, die ihre Trabanten sind. Indem wir die Erde in uns nähren und stärken, unterstützen wir auch unsere Mutter Erde auf ihrem Weg.

Indem wir die Geschenke der Erde als wichtigste Quelle unserer nachgeburtlichen Lebenskraft wertschätzen und ebenso das Recht aller Lebewesen, daran Anteil zu nehmen, wird unser Organismus nicht nur körperlich, sondern auch geistig genährt. Wir wachsen von ganz alleine. Um auch erwachsen zu werden, müssen wir lernen, für uns und andere zu sorgen. Um ein sinnerfülltes Leben führen zu können, müssen wir unser einzigartiges inneres Potential entfalten und es hinaustragen in die Welt, damit es von Nutzen ist.

In diesem Beitrag geht es in erster Linie um die Funktionen der Milz.

Körperliche und geistige Funktionen der Milz

Die körperliche Milz-Funktion besteht darin, die verwertbaren Anteile aus der Nahrung zu gewinnen und den Organismus zu nähren – das heißt Assimilation und Integration körperfremder Substanzen in den Organismus. Darin sind sämtliche Verdauungs- und Stoffwechselfunktionen enthalten, die mit der Versorgung aller Organe, des Blutes, der Körpersäfte und -strukturen zu tun haben. Bei einer Milz-Schwäche kommt es zu Verdauungsbeschwerden, Süßgelüsten, Konzentrationsschwäche und Grübeln; durch ein Übermaß an Milchprodukten außerdem zur Ansammlung von Wasser oder Schleim im Gewebe. Im fortgeschrittenen Stadium kann es durch einen trägen, unselbstständigen Geist zu äußerer und innerer Verwahrlosung oder Versumpfung kommen.
Die geistig-spirituelle Funktion der Milz umfasst zwei Aspekte, den männlichen Yang- und den weiblichen Yin-Aspekt.
Der Yang-Aspekt der Milz entspricht dem Denken und den sinnlichen Wahrnehmungen. Über unsere Sinnesorgane und unseren Geist nehmen wir Eindrücke aus unserem Umfeld auf, die von der Milz ebenfalls verarbeitet und integriert oder entsorgt werden müssen. Mit einer starken Milz leisten wir effiziente Geistesarbeit, Vor- und Nachteile werden abgewogen, Chancen und Risiken werden richtig eingeschätzt, und wir haben ein gutes Bauchgefühl. Ist die Milz jedoch geschwächt, verliert der Mensch den Fokus und die Klarheit, er neigt zum Grübeln und kann unter starker Ichbezogenheit oder Begierden leiden.

Der Yin-Aspekt der Milz ist das Gewahrsein. Es entsteht, wenn man voll und ganz da ist und in dem ruht, was gerade geschieht – wie eine Mutter, die ihren Säugling hegt und pflegt. Wenn unser Dasein nicht durch ein permanentes mentales Woanders-Sein bestimmt ist, entwickeln wir Einfühlungsvermögen, Fürsorge und Mitgefühl für uns selbst und andere Lebewesen. Dieser Prozess ist sehr heilsam für eine schwache Milz, die sich darin zeigt, dass die Gedanken endlos um die eigenen Sorgen, Hoffnungen und Befürchtungen kreisen. Dazu sagt der buddhistische Lama Ole Nydahl: „Wenn man an sich denkt, hat man Sorgen, denkt man an andere, hat man Aufgaben.“ Durch diese Einsicht werden Selbstzweifel und Mangel an Selbstverantwortung gelindert, und man wird erwachsen.
Die Milz muss also einerseits Nahrung für Körper und Geist aus der Umwelt aufnehmen, assimilieren, verarbeiten und integrieren können, und andererseits ihre Qualitäten wie Fürsorge und gesunden Menschenverstand in der Welt verwirklichen können.

Unsere Mitte leidet unter Über-  und Unterforderung

Sinneswahrnehmungen sind eine ebenso wichtige Nahrung für unseren Geist wie das Essen für unseren Körper. Durch die ständige Reizüberflutung in unserer modernen Welt ist die Milz jedoch häufig überfordert. Wir sollten uns bewusst machen, dass klares Denken, Konzentration, Achtsamkeit, Fürsorge und Mitgefühl als geistige Qualitäten der Milz in uns angelegt sind. Diese müssen wir jedoch kultivieren und anwenden, nicht zuletzt, um unsere Mitte zu nähren und vor Müll zu bewahren. Darum sollten wir achtsam sein und abwägen, was wir uns einverleiben – in Form von Nahrungsmitteln ebenso wie in Form von geistigem Input! Das betrifft alles, was wir lesen, uns anhören und anschauen, im Leben und auf dem Bildschirm.
Nie war es so wichtig und so schwierig wie heute, die Spreu vom Weizen zu trennen. In Anbetracht der Fülle an Reizen, die unser Gehör, unsere Augen, unsere kognitive und sensitive Wahrnehmung bestürmen und Empfindungen in uns auslösen, ist es kein Wunder, dass sich vor allem junge Menschen einfach der Brandung überlassen, weil sie keine Möglichkeiten mehr sehen, Stehvermögen zu entwickeln.

Einseitige oder qualitativ schlechte Ernährung trägt zusätzlich dazu bei, dass die Milz überfordert ist. Dann können weder die Nahrung noch die Erfahrungen nutzbringend ausgewertet und verarbeitet werden. Eine anhaltende, massive Überflutung mit Eindrücken lässt kaum Möglichkeiten offen, eine Auswahl zu treffen. Der eigene Standpunkt, die Mitte, wird erst gar nicht entwickelt oder geht verloren. Ängstlichkeit, Mutlosigkeit, Feigheit, Tatenlosigkeit, Angepasstheit, Sucht und Flucht sind die Folge. Dadurch boomt das Geschäft derer, die Sucht- und Konsummittel zur Verfügung stellen. Studien haben gezeigt, dass Menschen, die unglücklich, einsam und gesundheitlich schwach oder krank sind, wesentlich mehr konsumieren als Menschen, die mit ihrem Leben zufrieden sind.

Sucht nach immer neuen Reizen

Wir sind heute mit der Tatsache konfrontiert, dass das Angebot an geistig gehaltvoller Nahrung in unserer Kultur und die damit verbundene geistige Herausforderung wenig befriedigend ist. Sofern unser Wunsch nach geistiger Nahrung und der Verwirklichung unseres inneren Potentials stark genug ist, finden wir Wissen und Inspiration bei den alten Meistern oder bei Menschen, die sich berufen fühlen, die alten Schätze zu heben und aufzubereiten. Wenn der Mensch jedoch nicht in der Lage ist, das elementare Bedürfnis der Milz nach geistiger Nahrung zu befriedigen, sich zu entwickeln, erwachsen und tatkräftig zu werden, wird er dieses Defizit über den körperlichen Weg kompensieren, sei es durch Alkohol oder Essen, das heißt durch die Erhöhung der Reize auf Mund und Verdauungstrakt.

Dank unzähliger synthetischer Geschmacksstoffe, diverser Zusatzstoffe und einer hoch entwickelten Technologie sind die Lebensmittelkonzerne in der Lage, ihre Palette ständig zu erweitern und zu verändern. Doch durch diese Industriekost werden die Bedürfnisse des Körpers nicht wirklich gestillt. Das wohlige Gefühl der Sättigung, das mit einer tiefen inneren Befriedigung einhergeht und uns psychisch stabilisiert, wenn wir Nahrung zu uns nehmen, die uns gut bekommt und nährt, bleibt aus. Dadurch wird die Suche nach Ersatz und die Sucht nach immer neuen Reizen geschürt.

Dieser Teufelskreis ist erwünscht und wird durch bestimmte Zusatzstoffe gefördert. Geschmacksverstärker, Süßstoffe und künstliche Aromastoffe können Störungen im Stoffwechsel und im Hormonsystem hervorrufen, wodurch die Sättigungs- und Appetitregulationszentren im Gehirn gestört werden. Dadurch kann ein Mangel an lebenswichtigen Nährstoffen entstehen, und es kann zu massivem Übergewicht und Stoffwechselerkrankungen kommen, weil die falschen Nahrungsmittel gegessen werden, die nicht das enthalten, was der Körper gerade braucht.

Auf das vertrauen, was die Erde hervorbringt

Früher konnte sich der Mensch auf seinen Appetit verlassen, der ihm die allerbesten Dienste als Ernährungsberater leistete. Über den Appetit konnte das Gehirn die Nahrungsmittel und Speisen anfordern, in denen die Nährstoffe enthalten waren, die dem Körper gerade fehlten. So haben unsere Vorfahren überlebt – ohne ständig wechselnde synthetische Geschmackserlebnisse, ohne Nährwert- und Kalorientabellen! Darum konnten unsere Urgroßeltern noch mit gutem Gewissen ausreichend sättigendes Fett, Fleisch, Eier und Hülsenfrüchte essen. Sie erfreuten sich an dem köstlichen Aroma der vielen verschiedenen Obst- und Gemüsesorten, die ihren facettenreichen Geschmack noch nicht durch Überzüchtung und ausgelaugte Böden verloren hatten. Sie waren noch nicht gelangweilt durch allzeit verfügbare fade Zucchini und wässrige Tomaten. Es fehlte nie an Abwechslung, denn in jeder Jahreszeit gab es andere Zutaten, die mit unterschiedlichen Aromen aufwarteten. Heute wissen wir, dass sich durch das saisonale Angebot auch die Zusammensetzung der Nähr- und Vitalstoffe in der Ernährung verändert. Wenn man also das ständig wechselnde Angebot gut nutzt, ist man das ganze Jahr über rundum versorgt. Tatsächlich ging es in der alten Kochkunst um wesentlich mehr als den Gaumenkitzel, der für sich genommen ja nur eine sehr kurzfristige Befriedigung verschafft, den wir jedoch inzwischen so sehr in den Vordergrund gerückt haben, dass wir darüber vergessen haben, warum wir eigentlich essen.
Ich hatte das Glück, dass ich durch die Küche meiner Großmutter noch in den Genuss einer ausgewogenen Hausmannskost gekommen bin. Durch mein Studium der chinesischen Medizin und Ernährungslehre und deren Vergleich mit westlichen Traditionen kann ich bestätigen, dass die besten Hinweise für eine gesunde Lebensweise in den überlieferten Ernährungsgewohnheiten unser Vorfahren zu finden sind, die natürlich an die heutige Zeit angepasst werden müssen.

Großzügig investieren in Körper und Geist

Indem wir auf diese einfache Weise für unsere eigene Mitte fürsorglich tätig sind – auf das bedacht, was uns und anderen gut tut – beim Einkauf, der Zubereitung, beim genussvollen Essen, und dankbar die tiefe innere Befriedigung wahrnehmen, die ein einfaches bekömmliches Essen mit sich bringt, geben wir dadurch etwas an die Erde mit all ihren Lebewesen zurück. Indem wir lernen, uns selbst eine gute Mutter zu sein, gut für uns und andere zu sorgen, klar zu erkennen, was dazu nötig ist – nicht nur in Bezug auf das Essen –, werden wir erwachsen und vielleicht irgendwann so weise und mitfühlend, das Wohlergehen aller Lebewesen ins Auge fassen zu können. Wenn wir den guten Willen und obendrein die Tatkraft entwickeln, die uns das Wasserelement zur Verfügung stellt, sowie den gesunden Menschenverstand, das zielgerichtete Denken und das Mitgefühl für uns selbst und andere im Erdelement, dann werden wir das Bestmögliche für alles Leben auf unserer Erde tun können.

Die Autorin

Barbara Temelie widmet sich seit Mitte der 1980er Jahre der 5-Elemente-Lehre mit den Schwerpunkten Ernährung und psychisch-geistige Qualitäten auf der Basis der Chinesischen Medizin. Sie gibt ihr Wissen in Seminaren und Ausbildungen in München und Hamburg weiter und hat mehrere Bücher dazu verfasst.
Kontakt: Tel. 0700-53 53 63 68, buero@barbaratemelie.de, www.barbaratemelie.de

Literatur:

Hans-Ulrich Grimm: Die Ernährungslüge. Wie uns die Lebensmittelindustrie um den Verstand bringt, Droemer Verlag, 2003.
Udo Lorenzen / Andreas Noll: Die Wandlungsphasen der traditionellen chinesischen Medizin, Band 3, Wandlungsphase Erde. Müller & Steinicke, 1994.
Barbara Temelie: Ernährung nach den Fünf Elementen. Joy Verlag, 2001.

Barbara Temelie/Beatrice Trebuth: Das Fünf Elemente Kochbuch. Joy Verlag, 2009.

Barbara Temelie/Beatrice Trebuth: Die Fünf Elemente Ernährung für Mutter und Kind. Joy Verlag, 2009.

Barbara Temelie: Mit der 5-Elemente-Ernährung zur Wohlfühlfigur, Wie Sie Ihr Gewicht dauerhaft halten oder reduzieren und sich vor Ernährungsirrtümern schützen, Knaur MensSana 2009.

Salat aus dicken weißen Bohnen mit Radicchio und Champignons

Aus dem Buch „Mit der 5-Elemente-Ernährung zur Wohlfühlfigur“ von Barbara Temelie

Die Buchstaben im Rezept stehen für die 5 Elemente Holz (H), Feuer (F), Erde (E), Metall (M) und Wasser (W). In dieser Reihenfolge zubereitet, die dem Lebenszyklus entspricht, werden die Gerichte ausgesprochen bekömmlich und schmackhaft.
Weiße Bohnen über Nacht einweichen, gut abspülen und mit reichlich klein geschnittenem Ingwer etwa 1 ½ Stunde gar kochen und abseihen. Sobald sie lauwarm sind, mit reichlich Olivenöl (E), Pfeffer (M), Salz (W), viel Zitronensaft (H) und Rosenpaprika (F) marinieren.

Aus kleinen Portionen davon kann man schnell einen Salat zubereiten: Weiße Bohnen (E) mit Pfeffer (M), Salz (W), Weißweinessig (H), Kurkuma und Radicchio (F), Olivenöl, feinblättrig geschnittenen Champignons und kleinen Würfeln von rotem Paprika (E) vermengen.

Hinweis: Hülsenfrüchte sind ausgesprochen nahrhaft. Sie sind eine ideale Eiweißquelle für VegetarierInnen und bereits kleine Mengen sind ausgesprochen sättigend. Radicchio und Champignons wirken entschlackend, so dass dieses Gericht ideal ist, um abzunehmen. Die marinierten Bohnen können einige Tage im Kühlschrank aufbewahrt werden, sollten aber immer lauwarm, nicht kalt, serviert werden.